Freitag, 17. April 2009

Rock'n'Roll von der Nordsee

Seit Donnerstag in den deutschen Kinos: Radio Rock Revolution (Originaltitel: The Boat that Rocked).



Aus meiner Perspektive ist es schwer zu sagen, wie es wäre, so ganz ohne Rund-um-die-Uhr-Unterhaltung (gleichbedeutend mit "Entertainment", für die jüngeren Leser) und Artenvielfalt in Radio und Fernsehen. Unsere Vorfahren in den 1960ern mussten diesen Zustand teilweise am eigenen Leib erfahren. In Richard Curtis über weite Strecken hervorragend inszenierter Komödie wird der Zuschauer zurück in die Zeit der Medien-Zensur versetzt.
"One day, in a world of dreams, you may be able to say wank or bollocks or even cock on the radio. But fuck - never!" Quentin
Hier der dazugehörige Ausschnitt:


Aber es scheint ein Licht am Ende des reaktionären Biedermeiertunnels: Eine kleine illustre Schar Radio-Djs dümpelt irgendwo auf der Nordsee auf einem rostigen Frachter, ausgestattet mit lauter jugendgefährdender Rockmusik (Cat Stevens, The Hollies, Dusty Springfield...), einer Menge revolutionärem Geist und losem Mundwerk. Sie sind die Stimme der aufstrebenden Popkultur, die in den 60ern ihren Lauf nahm; und senden als Piratensender in die britischen Schlaf- und Wohnzimmer. Allein den Bürokraten in den Ministerien Ihrer Majestät graut es vor den moralischen Abgründen, die täglich 24 Stunden vom Rock Boat aus im ganzen Land verbreitet werden. Und so unternehmen die gescheitelten Anzugträger alles, um dem bunten Treiben auf hoher See einen Riegel vorzuschieben.

Top besetzt wartet der Streifen mit einer Fülle großartiger Verbalscharmützel in guter alter britischer Tradition auf. Oscarpreisträger Philip Seymour-Hoffman brilliert in der Rolle des amerikanischen Freigeistes The Count, Bill Nighy mimt den wunderbar schrägen Radio-Rock-Boss Quentin und Rhys Ifans zelebriert lasziv die DJ-Legende Gavin (erinnerte mich irgendwie an Tom Petty). Unterstützt werden die drei Protagonisten von einer exquisiten Auswahl nerdiger Superindividualisten und schlank-schenkligen Musen, die zur Zerstreuung ab und zu das Boot betreten dürfen. Stets stilsicher in Schale geschmissen harmonieren die einzelnen Parts auf ganzer Linie.

Zu den stylischen Bildern und den feuerwerkartigen Sprüchen macht ein spitzenmäßiger Soundtrack den Film zu einem gelungenem Gesamtwerk. Pop- und Rock-Lala aus der Zeit als Cat Stevens noch nicht Yusuf Islam hieß und The Who nicht ausschließlich die Titelmelodien für diverse CSI-Formate lieferte. Mein Favorit jedoch: The Box Tops mit The Letter

Einziger Wermutstropfen des ansonsten herrlich britisch selbstironischen Films ist das in letzter Konsequenz doch recht amerikanisch kitschige Ende, das etwas an Waterworld meets Traumschiff erinnert. Egal, mein Urteil: Auf jeden Fall anschauen. Am besten im Kino. Noch besser auf Englisch!

Hier der Trailer:

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