Freitag, 10. April 2009

Wohnst du schon oder lebst du noch?

Wer schon einmal wegen eines Praktikums oder Studienplatz(wechsels) das eigene Soziotop verlassen und in eine andere Stadt ziehen musste, kennt die damit verbundenen Schrecken: Wohnungen/WGs online suchen, Anzeigen lesen, ggf. anrufen, ganz evtl. sogar besichtigen, mit heiler Haut davonkommen.

In dem Wust von Anzeigen adäquaten Wohnraum zu finden, der sich sowohl preislich als auch sozial verträglich gestaltet, gleicht oft einer Mission Impossible. Wer aber, so wie ich, nicht nach einer duften Bude, sondern lediglich nach Zerstreuung und Amüsement giert, findet in den einschlägigen studentischen Wohngemeinschaftssuchmaschinen die tollsten Exempel sprachlich-soziokultureller Stimmungskanonen, die unsere heterogene Generation von Harcore-Individualisten zu bieten hat.



1. WG-Typ "TAZ-Abo inlusive"


Hier wird bereits im Anzeigentext ganz subtil klargestellt, dass Neoliberale und Konservative keine Chance haben. Ganz nach dem AIDA-Modell (Attention, Interest, Desire, Action) wird der Beworbene mit dem dezenten Hinweis zum Einziehen bewogen, dass die verschiedenen Geschlechter (Obacht! Es gibt durchaus mehr als 2!) zum Nulltarif inklusive sind. Eine Laufhaus-Flatrate für 300 Euro sozusagen. Spread the word!
Unser Vorschlag für einen geeigneten Mitbewohner: Typ Charles Bukowski oder Typ George Best.




2. WG-Typ "Fuck Society"

Hier ist man längst über Zeitschriftenabos hinweg und konzentriert sich schon auf den großen Umsturz - in medias res. Wer hier einzieht, braucht vor allem eins: den festen Willen zur Revolution. Zuerst wird gemeinsam querkopuliert, dann die Uni besetzt und schließlich der böse Finanzmarkt in einen Naturalien-Tauschbasar umgewandelt. Besonders wünschenswert: "Das bedingungslose Grundeinkommen."
Wir empfehlen: Typ Josef Ackermann (offener Vollzug) oder Typ Maximilien Robespierre (wegen der Erfahrung).



3. WG-Typ "Queer-feministisch, politisch, vegan"

In diesem Fall ist die Zielgruppe noch enger gefasst. Palästinensertuchträger und heterosexuelle Pro-Amerika-Aktivisten (also alle mit "Yes, we can-Buttons" am Cord-Jacket) fallen schon mal weg. Außerdem sollte man keinesfalls dem sexuellen Mainstream angehören.
Wer allerdings begeisterter Gazah-Streifen-Tourist ist, gerne putzt und filterlosrauchend Hundehaufen vom Juteteppich aufkratzt und eintütet, simultan schwul und transsexuell agiert und sich "wegen Israel" bei der Linken engagiert, der wäre der Mann/die Frau/oderbeides für dieses einladene neue Zuhause. Are you ready for a change?
Unsere Empfehlung: Lorielle London (bekäme vor Einzug fünf Nachhilfestunden in Nahost-Politik von Peter Scholl-Latour).



4. WG-Typ "House of Dada"

Also, der Grund und Boden ist bereits gefunden und eingezäunt. Was jetzt fehlt, ist die nötige Manpower und gestalterisches Geschick. Wer also Sympathie und ein Grammatiklehrbuch mitbringt, kann im Grunde nächste Woche mit 'nem Paket Rigips und 'ner Maurerkelle einz... äh, vorbeikommen. Spatenstich: 1. Mai a.k.a. Tag der Arbeit.

Unsere Empfehlung: Typ Hirngerechter Gestalter oder Typ Nepomuk (das Vieh aus Hallo Spencer).




Na, was für Euch dabei? Wer meldet sich freiweillig?

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